Kältereize und Wärmereize bei Kneippanwendungen
Die zahlreichen Wasseranwendungen nach Kneipp sollen Schmerzen lindern, die Beweglichkeit verbessern und die allgemeine Gesundheit und das Wohlbefinden fördern. Die Therapien werden als Wärmetherapie, Kältetherapie oder im Wechsel eingesetzt, die auf die Nutzung von Temperatur zur Behandlung von körperlichen Beschwerden abzielen.
Was bewirken Warme oder kalte Wasseranwendungen im Körper
Der menschliche Körper steuert über den Hypothalamus im Gehirn die Körpertemperatur. Der Hypothalamus erhält ständig Informationen über die aktuelle Körpertemperatur und vergleicht diese mit der idealen Temperatur, die normalerweise um die 37°C liegt. Wenn der Hypothalamus feststellt, dass der Körper zu kalt oder zu warm ist, sendet er Signale aus, um das zu ändern.
Wenn der Körper zu kalt ist, veranlasst der Hypothalamus Maßnahmen, um Wärme zu erzeugen und zu bewahren. Das beinhaltet Zittern, das Ansteigen des Stoffwechsels und das Verengen der Blutgefäße in der Haut, um Wärmeverlust zu verhindern.
Wenn der Körper zu warm ist, aktiviert der Hypothalamus im Gehirn Mechanismen zur Wärmeabfuhr: Er löst das Schwitzen aus, um durch Verdunstungskühlung die Temperatur zu senken und veranlasst eine Erweiterung der Blutgefäße, um die Wärmeabgabe über die Haut zu erhöhen.
Wann ist Vorsicht geboten?
Bei der Anwendung von Kälte- und Wärmereizen sollten einige Vorsichtsmaßnahmen beachtet werden:
- Kältereize sollten nicht bei Durchblutungsstörungen oder Fieber angewendet werden.
- Eine zu lange oder falsche Anwendung von Eisbeuteln, Eiskompressen, Kältespray, Eistauchbad etc. kann zu Erfrierungen führen.
- Wärmereize sollten nicht bei Entzündungen oder offenen Wunden angewendet werden.
- Bei empfindlicher Haut sollte die Temperatur von Kälte- und Wärmereizen reduziert werden.
Bei Fragen oder Unsicherheiten sollte immer ein Arzt oder Physiotherapeut konsultiert werden, insbesondere bei:
- instabilem Kreislauf
- rheumatoider Arthritis
- Schwangerschaft
- Personen, bei denen das Temperaturempfinden gestört ist
Wärmereize durch Wasseranwendungen
Die Blutgefäße reagieren auf Wärmereize. Durch die Wärme erweitern sie sich. Es kann mehr Blut durch die Haut fließen, was die Wärmeabgabe an die Umgebung erleichtert. Die Haut kann sich dabei rötlich verfärben.
Wärmereize wirken entspannend, fördern die Durchblutung und verbessern den Stoffwechsel. Durch die Erweiterung der Blutgefäße werden mehr Sauerstoff und Nährstoffe zu den betroffenen Körperregionen transportiert, was eine positive Wirkung auf die Heilung von Verletzungen und Entzündungen haben kann. Darüber hinaus können Wärmereize auch Schmerzen lindern und Verspannungen lösen. Wärmereize werden z. B. in Form von Wärmepackungen, Warmwasserbädern, Infrarotlicht oder auch Saunabesuchen eingesetzt.
Kältereize durch Wasseranwendungen
Die Blutgefäße reagieren, besonders die in der Haut, auf Kältereize. Das bedeutet, dass weniger Blut durch die oberflächlichen Gefäße in der Haut fließt, was hilft, die Körpertemperatur zu senken und Schwellungen zu reduzieren.
Kältereize wirken abschwellend, entzündungshemmend und schmerzlindernd. Durch die Verengung der Blutgefäße wird weniger Blut und somit auch weniger Entzündungsstoffe zu den betroffenen Körperregionen transportiert, was Schmerzen und Entzündungen reduzieren kann. Die Kälte kann helfen, Nervensignale zu dämpfen, die Schmerzempfindungen zu übermitteln, was besonders bei akuten Verletzungen nützlich ist.
Regelmäßige Anwendungen von kaltem Wasser können das Immunsystem stärken. Die Kälte regt die Produktion von weißen Blutkörperchen an, die eine wichtige Rolle in der Abwehr von Krankheiten spielen.
Darüber hinaus kann kaltes Wasser die Gesundheit der Haut und der Blutgefäße fördern. Die wiederholte Anwendung von Kälte kann dazu beitragen, dass die Blutgefäße elastischer werden und sich die Hautstruktur verbessert.
Kaltreize werden z.B. in Form von Kühlpackungen, Kaltwasseranwendungen oder Eisbehandlungen eingesetzt.
Gegenüberstellung der kalten und warmen Anwendungen
Kalte Anwendung | Warme Anwendung | |
Ziel | Entzündungshemmung Schmerzlinderung Reduktion von Schwellungen | Muskelentspannung Schmerzlinderung Verbesserung der Durchblutung |
Methode | Eispackungen Kalte Wickel Kalte Bäder Eisbäder Kältekammern | Warmwasserbäder Dampfbäder Heißpackungen Wärmflaschen Sauna |
Anwendungs- gebiet | Akute Verletzungen Postoperative Schwellungen Bestimmte Arthritis-Formen | Chronische Beschwerden Muskelschmerzen und -steifheit |
Vorsichts- maßnahmen | Kurze Anwendungsdauer Schutzschicht zwischen Haut und Kältequelle beachten | Nicht auf frische Verletzungen anwenden Verbrennungen ausschließen |
Wärme- und Kältereize im Wechsel
Wärme- und Kältereize im Wechsel werden als Wechselbäder oder Wechselgüsse durchgeführt.
Es ist wichtig, mit kaltem Wasser zu enden damit sich die Blutgefäße zusammenziehen und sich die Poren schließen. Anschließend soll der Körper durch Bewegung oder Bettruhe wieder erwärmt werden.
Wechselbäder oder -güsse können folgendes bewirken:
Verbesserung der Durchblutung
Der Wechsel zwischen warmem und kaltem Wasser regt die Durchblutung an. Warmes Wasser erweitert die Blutgefäße, was den Blutfluss erhöht. Kaltes Wasser verengt sie wieder, was den Blutfluss in tiefer gelegene Gewebe fördert. Diese Wechselwirkung kann die Zirkulation verbessern und zur Versorgung der Muskeln und Organe mit Sauerstoff und Nährstoffen beitragen.
Reduzierung von Muskelkater und Schmerzen
Wechselbäder oder -güsse können helfen, Muskelkater und Schmerzen nach intensiven körperlichen Aktivitäten zu reduzieren. Die verbesserte Durchblutung hilft, Abfallstoffe wie Laktat aus den Muskeln zu entfernen, was zur schnelleren Erholung beiträgt.
Stärkung des Immunsystems
Regelmäßige Anwendung der Wechselbäder oder -güsse kann das Immunsystem stärken. Die Wechsel von warm zu kalt regen den Körper an, mehr weiße Blutkörperchen zu produzieren, die für die Bekämpfung von Infektionen wichtig sind.
Steigerung der Energie und des Wohlbefindens
Viele Menschen berichten, dass sie sich nach Wechselbädern oder -güssen energiegeladener und erfrischter fühlen. Der Wechsel zwischen den Temperaturen kann auch die mentale Wachsamkeit steigern.
Verbesserung der Hautgesundheit
Der Wechsel zwischen warmem und kaltem Wasser kann die Hautgesundheit fördern. Es verbessert die Durchblutung und kann dazu beitragen, die Haut straffer und lebendiger aussehen zu lassen.
Förderung der mentalen Robustheit
Die regelmäßige Durchführung der Wechselbäder oder -güsse, insbesondere der Wechsel zu kaltem Wasser, erfordert eine gewisse mentale Stärke und kann dazu beitragen, die allgemeine Belastbarkeit zu erhöhen.
Wassertemperaturen bei Wasseranwendungen
Für Wasseranwendungen gibt es spezifische Temperaturbereiche. Die nachstehende Tabelle zeigt Temperaturbereiche für Wasseranwendungen zwischen heiß und sehr kalt.
Heiß | über 40 °C | Solche Temperaturen sind für intensive Erwärmung der Muskeln und tiefe Entspannung geeignet. |
sehr warm | 38 °C–40 °C | Fördert die Entspannung und kann bei Muskelverspannungen helfen. |
warm | 36 °C–38 °C | Dieser Bereich ist angenehm für längere Bäder und unterstützt die Durchblutung |
lauwarm | 29 °C–35 °C | Mit dieser Temperaturspanne kann man keine Reize setzen. Diese mäßige Temperatur wird jedoch für langsame Abkühlung oder zur schonenden Anpassung an kältere Temperaturen genutzt. |
kühl | 23 °C–28 °C | Regt die Durchblutung an und belebt den Körper. |
temperiert | 19 °C–22 °C | Hier beginnt der Bereich der Kaltwasseranwendungen, der das Immunsystem stimulieren kann |
kalt | 16 °C–18 °C | Kältere Temperaturen sind wirksam bei der Reduzierung von Entzündungen und Schmerzen |
sehr kalt | 10 °C–15 °C | Diese extremen Temperaturen sind für kurze, intensive Kältereize gedacht. |
Reizstärken von schwach bis stark
Bei Wasseranwendungen muss vor der Anwendung entschieden werden, welche Reizstärken eingesetzt werden sollen. Für Anfänger eignen sich zu Beginn schwache Reize, für Daueranwender der Kneipp´schen Wasseranwendungen kommen schon starke Reize in Frage.
Die Kneipp´schen Wasseranwendungen werden in drei Reizstärken eingeteilt.
Schwache Reizstärke | Mittlere Reizstärke | Starke Reizstärkw |
Trockenbürsten | Wassertreten | Lumbalguss, heiß |
Oberkörper- oder Unterkörperwaschung | Taulaufen | Vollguss, kalt |
Schenkelguss, kalt | Ganzkörperwaschung | Lendenwickel, kalt |
Nackenguss, heiß | Knieguss, kalt oder Wechsel | Brustwickel, kalt oder heiß |
Armguss, kalt | Wechselschenkelguss | Heublumensack im Nacken oder Lendenwirbelsäule |
Gesichtsguss, kalt | Wechselarmguss | Leibauflage, heiß oder kalt |
Dampfkompresse | Wadenwickel, kalt | Armbad, temperaturansteigend |
Quarkauflage | Nasse Strümpfe | Fußbad, temperaturansteigend |
Herzkompresse, kalt | Halswickel, kalt | Sitzbad, temperaturansteigend |
Armbad, kalt oder warm | Halbbad, kalt | Wechselsitzbad |
Wechselarmbad | Vollbad warm | |
Fußbad, kalt oder warm | ||
Wechselfußbad | ||
Warmes Sitzbad |
Grenzen und Balance bei Kälte- und Wärmereizen
Die Anwendung von Kälte- und Wärmereizen erfordert eine sorgfältige Balance. Es ist nicht ratsam, unendlich viele oder langandauernde Kälte- oder Wärmereize anzuwenden, da eine übermäßige oder falsche Anwendung zu negativen gesundheitlichen Folgen führen kann. Hier sind einige wichtige Punkte, die bei der Anwendung dieser Therapien zu beachten sind.
- Risiko von Gewebeschäden
Zu intensive oder zu lange angewendete Wärme- oder Kältereize können zu Gewebeschäden führen. Bei Wärme besteht das Risiko von Verbrennungen oder Hitzeschlägen, bei Kälte das Risiko von Erfrierungen oder lokalen Durchblutungsstörungen. - Individuelle Toleranz
Jeder Mensch hat eine unterschiedliche Toleranz gegenüber Temperaturänderungen. Was für eine Person angenehm ist, kann für eine andere bereits unangenehm oder sogar schädlich sein. Die passende Reizstärke und die damit verbundene individuelle Reaktion sollte immer herausgefunden werden. - Vorliegende medizinische Bedingungen
Bestimmte Gesundheitszustände können die Reaktion auf Kälte- oder Wärmereize beeinflussen. Zum Beispiel sollten Personen mit bestimmten Herzerkrankungen, Durchblutungsstörungen oder sensorischen Beeinträchtigungen vorsichtig sein. - Erholungszeiten
Der Körper benötigt Zeit, um sich zwischen den Anwendungen zu erholen. Ständige Reize ohne angemessene Erholungspausen können zu Überbelastung oder Stressreaktionen führen. - Ziel der Anwendung
Die Intensität und Häufigkeit der Anwendung sollte auf das therapeutische Ziel abgestimmt sein.
Was ist bei älteren Personen zu beachten?
Kältereize
Bei Kältereizen reagiert der Körper älterer Menschen oft mit einer reduzierten Fähigkeit zur Thermoregulation, was sie anfälliger für Hypothermie oder Unterkühlung macht. Ihre Blutzirkulation kann verlangsamt sein, was dazu führt, dass sie länger brauchen, um sich nach einer Kälteexposition aufzuwärmen. Das Risiko für Erfrierungen ist erhöht, besonders bei extrem kalten Bedingungen, da die Durchblutung abnimmt und die sensorische Wahrnehmung möglicherweise reduziert ist. Ältere Menschen können aufgrund verringerten Unterhautfettgewebes und dünnerer Haut Kälte intensiver empfinden. Zusätzlich kann eine verminderte körperliche Aktivität zu einer geringeren Wärmeerzeugung im Körper führen, was die Kälteempfindlichkeit weiter verstärkt.
Wärmereize
Bei Wärmereizen können ältere Menschen aufgrund einer verminderten Schweißproduktion und einer reduzierten Fähigkeit zur Thermoregulation anfälliger für Überhitzung oder Hitzeschlag sein. Ihre Haut wird dünner und empfindlicher, was zu einer erhöhten Gefahr von Hitzeverletzungen, wie Verbrennungen, führen kann. Ältere Personen können bei Wärmereizen eine stärkere Herz-Kreislauf-Belastung erfahren, da ihr Körper härter arbeiten muss, um die Körpertemperatur zu regulieren. Die veränderte Schmerzempfindlichkeit im Alter kann dazu führen, dass sie potenziell gefährliche Wärmeniveaus nicht rechtzeitig erkennen. Zudem kann eine verminderte Anpassungsfähigkeit des Kreislaufsystems zu verstärkten Reaktionen wie Schwindel oder Blutdruckschwankungen bei Wärmereizen führen.
Was ist bei Kindern zu beachten?
Kinder reagieren empfindlicher auf Kälte- und Wärmereize als Erwachsene, da ihr Körper noch nicht dieselbe Fähigkeit zur Thermoregulation entwickelt hat. Bei Kältereizen können sie schneller unterkühlen, da sie ein geringeres Verhältnis von Körpermasse zu Oberfläche und weniger isolierendes Körperfett haben. Bei Wärmereizen sind sie anfälliger für Überhitzung und Hitzschlag, da ihr Körper weniger effizient schwitzt und Wärme abgibt. Kinder können zudem extreme Temperaturen nicht immer gut kommunizieren, was das Risiko für unbeachtete Überhitzung oder Unterkühlung erhöht.
Bei Kindern sollten nur Wasseranwendungen der schwachen Reizstärke durchgeführt werden. Alle weiteren Anwendungen der mittleren und starken Reizstärken sollten mit dem Kinderarzt besprochen werden.
Fazit
Die Wärmetherapie sowie die Kältetherapie sind wichtige Bestandteile der Kneipp`schen Wasseranwendungen und können bei einer Vielzahl von Beschwerden eingesetzt werden. Während die Wärmetherapie die Durchblutung fördert und die Muskeln entspannt, kann die Kältetherapie Schwellungen reduzieren und Entzündungen lindern. Wechselbäder oder -güsse können das Immunsystem stärken und die mentale Robustheit fördern. Sie bieten einen ganzheitlichen Nutzen für Körper und Geist.
Allerdings ist es wichtig, dass jeder, der diese Anwendungen in Betracht zieht, zuerst seine individuelle Gesundheitssituation berücksichtigt und gegebenenfalls ärztlichen Rat einholt, insbesondere wenn bestehende Gesundheitsprobleme vorliegen.